Seit der Jahrtausendwende hat die im Zusammenhang mit der Frauenbewegung in den 1970er Jahren intensivierte Beschäftigung mit der mittelalterlichen Beginen-Bewegung zu einer modernen Renaissance dieser einzigartigen historischen Erscheinung geführt. Heute leben in Deutschland hunderte Frauen in ungefähr zwanzig neugegründeten Beginen-Höfen. Die meisten deutschen Beginen-Höfe finden sich im rheinisch-westfälischen Raum. In diesen durchaus unterschiedlich konzipierten und gelebten Wohnprojekten sind althergebrachte Beginen-Traditionen mit den Erfordernissen und Vorstellungen der heutigen Zeit zusammengeführt worden.
Die Beginen-Bewegung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit
Die historische Beginenbewegung hatte ihre Ursprünge im ausgehenden Hochmittelalter. Damals am Anfang des 13. Jahrhunderts hatten sich im niederländischen Raum Frauen und Männer zu geistlichen Gemeinschaften zusammengeschlossen, um in der Nachfolge Christi Werte wie Nächstenliebe in der Praxis zu leben. Während die männlichen Gemeinschaften unter der Bezeichnung „Begarden“ bekannt wurden, erhielten die weiblichen Vertreterinnen dieser Bewegung die Bezeichnung „Beginen“. Welche Ursprungsbedeutung hinter den Begriff „Beginen“ steht, ist nicht abschließend geklärt. Es wird spekuliert, ob eventuell die spätere Schutzpatronin der Beginen, die Heilige Begga, eine Ahnin von Karl dem Großen, Namenspatin gewesen sein könnte. Die 1216 auf Betreiben des wegen seines kriegerischen Einsatzes beim 5. Kreuzzug berühmt gewordenen Bischofs Jakob von Vitry vom Papst als Laienwohngemeinschaften anerkannten Beginen-Gemeinschafen stellten für fromme Frauen eine attraktive Alternative zum Klosterleben als Nonne dar. Anders als in Nonnen-Gemeinschaften waren die Beginen nämlich nicht durch ein lebenslanges Gehorsams- und Keuschheits-Gelübde festgelegt. Sie waren auch nicht in die strikte Hierarchie eines Ordens eingebunden. Stattdessen gaben sie ein oft jährlich erneuertes Versprechen ab, ein gottgefälliges Leben zu führen und sich für die Gemeinschaft ihrer Mit-Beginen und anderer Mitmenschen sozial einzusetzen. Die jede für sich autonomen lokalen Beginen-Konvente lebten zumeist in Beginen-Höfen zusammen. In diesen sich um einen Hof gruppierenden Hauskomplexen pflegten sie nach eigenen Regeln aufgestelltes Gemeinschaftsleben. Beginen arbeiteten unter anderem als Hebammen und Handwerkerinnen. Ihr Einkommen floss in die Gemeinschaftskasse, aus der auch karitative Zwecke finanziert wurden. Häufig brachten Beginen ihr Vermögen beim Eintritt in die Konvent-Kasse ein. Beginen waren oft unverheiratete, gebildete Frauen mittleren und fortgeschrittene Alters aus adligen oder großbürgerlichen Familien. Für sie stellten die Beginen-Höfe eine Möglichkeit dar, außerhalb der Zwänge der patriarchalisch geprägten Welt des Mittelalters ein weitgehend selbstbestimmtes Leben unter Gleichgesinnten führen zu können. Die Beginen-Bewegung breitete sich rasch von den Niederlanden über weite Teile Europas aus. So gab es im Köln des 14. Jahrhunderts fast 200 Beginen-Höfe. Das selbstbestimmte und selbstbewusste Frauen-Leben der bei der einfachen Bevölkerung beliebten Beginen, die es auch wagten, zu theologischen Fragen Stellung zu nehmen, stieß bei den kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten auf Missfallen. Ferner standen viele Zünfte den als Konkurrenz eingeordneten Beginen ablehnend gegenüber. Beginen wurden schließlich mehr oder weniger pauschal der Ketzerei verdächtigt und ihre Arbeit behindert. Der Zulauf zu den Beginen nahm in Folge drastisch ab. Zum Niedergang trug auch das rigide Frauenbild lutherischer Reformatoren im 16. Jahrhundert bei. der Nur wenige kleine Beginen-Konvente retteten sich in die heutige Zeit hinüber.
Renaissance der Beginen-Bewegung
Seit den 1970er Jahren wurde das Leben der Beginen von der Frauenbewegung thematisiert und unter anderem als möglicher Anknüpfungspunkt bei alternativen Wohngemeinschaftsformen für Frauen debattiert. Ausfluss dieser Diskussionen waren die Gründungen erste moderner als „Beginen-Höfe“ bezeichneten Frauen-Wohngemeinschaften im deutschsprachigen Raum seit 1985. Die Initiatorinnen der Beginen-Wohnprojekte wählten dabei unterschiedliche Rechtsformen. Neben eingetragenen Vereinen wurden Beginen-Höfe auch als Genossenschaft, als Stiftung oder als Gemeinschaftseigentum organisiert.
Dachverband der Beginen e.V.
Bei der Suche nach der richtigen Rechtsform in der Gründungsphase, bei der konkreten Umsetzung gesetzter Ziele und vor allem bei der Zusammenarbeit der selbständigen Beginen-Höfe spielt der 2004 gegründete Dachverband der Beginen mit Sitz in Bielefeld als organisatorische Klammer eine wesentliche Rolle. Der Dachverband kooperiert mit der Tübinger Beginenstiftung von 2003, die ähnliche Ziele verfolgt.
Unterschiedliche Ausformungen
Moderne Beginen-Höfe versuchen eigenständiges Leben mit Aspekten gemeinschaftlichen, Solidarität und Wahlverwandtschaft betonenden Wohnens zu verbinden. Oft werden auch gemeinschaftlichem sozialen Engagement und/oder Spiritualität besondere Bedeutung beigemessen. In einigen Beginen-Höfen leben nur unverheiratete oder verwitwete Frauen der Generation 60 +. In anderen Beginen-Gemeinschaften wird ein generationsübergreifender Ansatz mit alleinerziehenden Müttern und Kindern umgesetzt.
Einige Beispiele für Beginen-Höfe
Der generationsübergreifende Ansatz wird zum Beispiel im Beginenhöfe Bielefeld-Senne e. V. von 2000 nach dem Prinzip „Wahlfamilie“ gelebt. Dort am Rande des Teutoburger Waldes sind 20, zumeist älteren Frauen vorbehaltene Einpersonen-Wohneinheiten mit sechs Muter-Kind-Wohnungen in einem Komplex, zu dem ein Innenhof und Gemeinschaftsräumlichkeiten gehören, verbunden.
Wesentlich kleiner und wegen des gewählten Ortes auch bewusst spirituell ist die Beginen-Gemeinschaft auf dem Gelände des ehemaligen Benediktinerinnen-Klosters Malgarten im niedersächsischen Bramsche. Hier haben zwei Frauen Wohnungen gemietet, von denen aus sie in beginischer Tradition soziale und ökologische Ziele im Alltag und bei Workshops verfolgen.
Die Beginenhof Köln eG wurde 2011 gegründet. Die dem Prinzip des genossenschaftlichen Wirtschaftens verpflichtete Gemeinschaft (27 Wohneinheiten, Gemeinschaftsräume) im Stadtteil Widdershof verfolgt Ziele der Frauenförderung und -sicherheit im Zusammenhang mit sozialer und ökologischer Verantwortung.
Urlaub auf Beginenhöfen
Wen die Gemeinschaft eines Beginenhofes als Frau interessiert, der kann unter Umständen auf einem Hof auch Urlaub machen und das Leben dort kennenlernen. Einige wenige Höfe bieten diese Möglichkeit, es empfiehlt sich eine Kontaktaufnahme über Telefon.