Dorf und Schloss Westerholt – Kleinod im Ruhrgebiet

Häuser im Alten Dorf Westerholt
Dorf Westerholt in Herten hat eine Vielzahl an hübschen alten Häusern

Bei einer Reise durch das nördliche Ruhrgebiet darf ein Besuch des Hertener Stadtteiles Westerholt nicht fehlen. Malerisch gruppiert sich das Alte Dorf Westerholt um das klassizistische Schloss gleichen Namens und ist mit seinen restaurierten Fachwerkhäusern etwas ganz Besonderes. Die komplette Siedlung steht seit 1991 unter Denkmalschutz und ist ein herausragendes Beispiel für eine als Gesamtanlage erhaltene Dorf- und Burgfreiheit. Das Alte Dorf gilt als eine der ältesten und schönsten geschlossenen Siedlungen in Nordrhein-Westfalen und wird auch das „Westfälische Rothenburg“ genannt.

Die 58 nach historischem Vorbild restaurierten Fachwerkhäuser, welche auch als Einzelobjekte in die Denkmalliste eingetragen sind, stehen dicht gedrängt rund um die Pfarrkirche St. Martinus.

 

Dorf Westerholt - Pfarrkirche St. Martinus
Pfarrkirche St. Martinus

 

Bei einem Spaziergang durch die engen Kopfsteinpflaster-Gassen fühlt man sich in das Mittelalter zurückversetzt. Hier scheint die Zeit still geblieben zu sein. Die ältesten Jahreszahlen an den Fachwerkhäusern verweisen mit 1604 oder 1627 auf die Zeit vor und während des Dreißigjährigen Krieges. Heute leben im Alten Dorf Westerholt noch um die 400 Einwohner. Zusammen mit dem Schloss und den Wallanlagen ist die Siedlung Westerholt einer der Anziehungspunkte für Touristen und Anwohner der Region. Mit seinen schönen Fachwerkhäusern und malerischen Winkeln bietet es neben dem historischen Flair auch einige Cafés und Restaurants zum Verweilen.

 

enge Gasse Dorf Westerholt
enge Gasse im Alten Dorf Westerholt in Herten

Das historische Dorf

Im Jahre 799 wurde Westerholt erstmalig als Bauernhof der Abtei Werden erwähnt. Westerholt bedeutet „Holz im Westen“ und bezeichnet den Waldbereich westlich von Recklinghausen. Danach benannte sich auch das Geschlecht der Grafen von Westerholt, welche Ende des 12. Jahrhunderts eine Burg errichteten. In den folgenden Jahrzehnten entstand um die Burg eine Siedlung, das heutige Westerholt. Bedienstete der Burg, Handwerker und Ansiedler, die den Schutz der Burg suchten, ließen sich nieder. Die Siedlung wuchs, um 1310 wird erstmalig auch die Pfarrkirche St. Martinus erwähnt. Die Siedlung war mit Wall und Graben befestigt und besaß drei Zugangspforten. In der folgenden Zeit entwickelte sich Westerholt immer weiter, es entstand eine eigene Verwaltung, der Ort wurde befestigt und regelmäßig fanden Markttage statt. 1421 wird erstmalig der Begriff der „Freiheit“ erwähnt, ein vom Kaiser privilegiertes Recht. Die „Freiheit Westerholt“ zeichnete sich dadurch aus, dass die Bewohner eine persönliche Freiheit besaßen und ihren Besitz weiter vererben konnten. 1454 lebten dort etwa 300 Einwohner in ca. 45 Hausstätten, diese umfassten jeweils das Wohnhaus, Hof und Garten, sowie in manchen Fällen zusätzliche Nebengebäude wie beispielsweise eine Werkstatt.

Im 16. Jahrhundert trafen Kriege und die Pest auch die Freiheit Westerholt und beeinflussten die wirtschaftliche Entwicklung. Brände zerstörten zahlreiche der Fachwerkhäuser, welche in den folgenden Jahren von den Westerholtern wieder mühsam mit Originalmaterialien aufgebaut wurden. Daher stammen die meisten der heute erhaltenen malerischen Fachwerkhäuser aus dem 16. Jahrhundert und stehen damals wie heute dicht aneinander gedrängt in verwinkelten, engen Gassen.

Kunstwerk auf Hauswand
Ein Kunstwerk auf einer Hauswand im Dorf Westerholt

Ortsbild

Bei einem Spaziergang durch das Alte Dorf kann man die alten Zeiten wieder aufleben lassen. In den engen malerischen Gassen erhält man einen guten Eindruck vom Leben in Westerholt vor 500 Jahren. Am Ostwall findet sich die katholische St. Martinus-Kirche, welche Anfang des 20. Jahrhunderts im neuromanischen Stil erbaut wurde. Diese wunderschöne dreischiffige Basilika besticht durch ihre beeindruckende Innenausmalung von Professor Gauer, welche äußerst sehenswert ist.

Am Rande des Dorfes, vor dem Kirchportal, befindet sich die Schloss-Straße. In einem Gasthof wird seit dem Jahre 1855 Bier ausgeschenkt. Nachdem das ursprüngliche Gebäude in seiner Bausubstanz nicht erhalten werden konnte, entstand hier der Gasthof „Altes Dorf“. Mit dem Gasthof erhielt das Dörfchen Westerholt einen Teil seiner traditionsreichen Geschichte zurück. 1995 wurde der Gasthof mit Hotel neu eröffnet und wird nunmehr seit vielen Jahren von der Familie Lippemeier bewirtet. Mit seiner gemütlichen und gediegenen Atmosphäre bietet der Gasthof auch heute noch die Gelegenheit in einem der individuellen Zimmer zu übernachten und persönliche Gastlichkeit in rustikalem Ambiente zu genießen.

Direkt neben dem Gasthof befindet sich ein wunderschön restauriertes Fachwerkhaus mit grünen Fensterläden und Türen. Es versprüht einen besonderen schönen historischen Charme. Eine davor stehende Bank lädt dazu ein, die Ruhe und Idylle zu genießen. Lohnenswert ist auch der Blick in einige der wunderschönen Hinterhöfe. Hier lassen überquellende Blumenkästen und Rabatten das Gärtnerherz höher schlagen und wilder Wein rankt sich idyllisch an den historischen Gebäuden empor.

Die Schloss-Straße ist die frühere Hauptverbindungsstraße nach Buer. Im Durchgang zum Schloss befand sich einer der historischen Zugänge zur Freiheit, die Burgpforte. Folgt man der Schloss-Straße weiter, biegen rechter Hand zuerst die Brandstraße und etwas später die Martinistraße ab. Beide Straßen beindrucken mit einer Vielzahl von wundervoll restaurierten Fachwerkhäusern mit vielen Hausinschriften auf den ursprünglichen Balken. Hier findet sich auch ein Haus mit der Jahreszahl 1604.

Altes Haus von 1604
Es ist beeindruckend, wie alt manche Gebäude sind

Weiter auf der Schloss-Straße finden sich noch weitere historische Restaurants und Hotels, unter anderem das Restaurant, Hotel und Biergarten Alt-Westerholt anno 1722. Hier kann man gut und lecker essen, gemütlich bis spätabends draußen sitzen und das historische Ambiente genießen. Die Räumlichkeiten des schmucken Fachwerkhauses sind liebevoll gestaltet und strahlen Behaglichkeit aus. Ein knisterndes Kaminfeuer vermittelt Gemütlichkeit und Wärme während der kalten Jahreszeit. Beeindruckend ist auch die Wandmalerei an dem historischen Fachwerkgebäude.

Nicht verpassen sollte man auch die historischen Gebäude der Freiheit. In der Freiheit 15 steht das „Ohm’sche Haus“, hier wohnten Verwandte des bekannten Physikers Ohm. Auch die Freiheit 13 ist charakteristisch, hier steht ein Gebäude mit nach innen kippenden Mauern.

Hexenverbrennung

Die historischen Gebäude können dabei auf eine bewegte Vergangenheit und dramatische Lebensgeschichten zurückblicken. Anfang des 18. Jahrhunderts wehrte sich die junge und schöne Witwe Anna Spiekermann gegen die Gewalt einen Westerholter Bürgers. Dieser rächte sich, indem er im Dorf das Gerücht verkündete, Anna Spiekermann habe ihn durch Hexerei „seiner Manneskraft“ beraubt. Es war die Zeit der Hexenverbrennungen. Im 16. und 17. Jahrhundert sind im Vest Recklinghausen 127 Hexenprozesse aktenkundig, davon 104 gegen Frauen. Auch Anna Spiekermann wurde, als der Aberglaube im Dorf Westerholt seinen Höhepunkt fand, als „Hexenänneken“ der grausame Prozess gemacht. Nach 15 Monaten Haft im Kerker wurde sie am 31. Juli 1706 in Westerholt durch Enthauptung hingerichtet.

Einfluss des Bergbaus

Dass die historischen Gebäude heute noch in der Form vorhanden sind, ist den Bewohnern von Westerholt zu verdanken. Die industrielle Revolution machte auch vor Westerholt nicht halt. Der Steinkohleabbau hielt Einzug und mit ihm wurden die Förderschachtanlage Westerholt und die Zeche Westerholt aufgebaut. Bergleute aus ganz Deutschland siedelten sich außerhalb der Tore an, die ersten Zechenkolonien entstanden. Diese durch den Bergbau entstandenen Bereiche prägen auch heute noch das Ortsbild von Westerholt maßgeblich mit. Die großen Garten- und Weidegrundstücke der Fachwerkhäuser wurden in Baufläche umgewandelt. Auf den ehemals landwirtschaftlichen Flächen rund um das Alte Dorf Westerholt entstanden Eigenheime und größere Mehrfamilienhäuser.

In den 60er Jahren sollte im Rahmen einer Flächensanierung auch das Alte Dorf abgerissen werden und durch moderne Betonbauten ersetzt werden. Die Bewohner des Dorfes widersetzten sich diesen Absichten vehement unter großem persönlichem und finanziellem Einsatz und erreichten so, dass die historischen Strukturen erhalten bleiben konnten und später unter Denkmalschutz gestellt wurden.

Schloss Westerholt

In unmittelbarer Nähe zum Alten Dorf liegt auch das Schloss Westerholt. Das Schloss in seiner Gesamtheit ist eine wunderschöne, weitläufige Anlage, bestehend aus drei Schlossinseln, die sich von Osten nach Westen erstrecken. Die Schlossanlage wird von einem großen beeindruckenden englischen Landschaftsgarten eingeschlossen, von uralten Kastanien umgeben, eine Graft umfließt die Anlage. Heute beherbergt das Schloss ein Hotel sowie ein Café-Restaurant. Ein großer Teil des einstigen Schlossparks, 75 Hektar, wird heute von einem Golfclub genutzt. Das dazugehörige Clubhaus findet sich in den einstigen Nebengebäuden. Der Golfplatz erstreckt sich rund um das Schloss, eingebettet in eine wunderschöne Landschaft aus altem Baumbestand, Biotopen und Teichen. Im Hotel und Restaurant lässt es sich in einer ungezwungenen und trotzdem edlen Atmosphäre entspannen, ob genussvoll auf der Terrasse oder stilvoll in einem der zahlreichen Schloss-Räume. Die Küche arbeitet eng mit den umliegenden landwirtschaftlichen Betrieben und ausgewählten Lieferanten der näheren Region zusammen und bietet exzellente regionale Spezialitäten mit europäischem Einschlag.

Das Schloss steht an der Stelle der alten Burg der Grafen von Westerholt, welche einen Brand zum Opfer fiel. 1830 wurde an dieser Stelle das Schloss Westerholt in seiner heutigen Form im Stil des Klassizismus mit zwei Geschossen erbaut. Auf der westlichsten Inseln befand sich früher der Nutzgarten, heute ist hier überwiegend Rasen zu finden. Eine idyllische gemauerte Brücke verbindet die östlichste Insel mit der neben ihr liegenden mittleren Schlossinsel. Auf dieser befindet sich auch der Standort des sogenannten Vogelhauses. Dieses stammt aus der gleichen Zeit wie das Schloss, der damalige Schlossherr ließ es errichten, um dort seine ornithologische Sammlung unterzubringen, und ersetzte damit ein früher dort stehendes Orangeriegebäude. Seit 1955 wohnt hier die Familie der Grafen von Westerholt. Der Wappenstein über dem Eingang, welcher die Jahreszahl 1717 zeigt, stammt allerdings von der nicht mehr existenten Orangerie. Gegenüber dem Vogelhaus steht ein eher moderner Neubau, welcher die Verwaltung beherbergt. Dazwischen finden sich symmetrisch angelegte Wege, welche erahnen lassen, wie der einstige Barockgarten ausgesehen haben mag.

Auf der östlichsten der drei Schlossinseln befinden sich heute die eigentlichen Schlossgebäude. Das Haupthaus steht dabei an der Westseite, dazu stehen im rechten Winkel weitere Backsteinbauten. An einer Ecke des Herrenhauses steht ein viereckiger Turm mit einer Wetterfahne, diese zeigt die Jahreszahl 1830 und damit den Zeitpunkt der Erbauung an. An der Nordseite der Insel stehen weitere Nebengebäude, darunter das Torgebäude, welches in die Schlossfreiheit führt. Die ursprünglichen Gebäude wurden allerdings zwischen 1867 und 1870 durch Neubauten ersetzt.

Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs wurden das Herrenhaus und die Nebengebäude von den amerikanischen und englischen Besatzungstruppen zunächst behalten und als Unterkunft für die Besatzungstruppen genutzt. Dem damaligen Schlossherrn wurde die Nutzung seines Besitzes verwehrt. Das stark verwohnte Herrenhaus stand über Jahrzehnte leer und wurde erst 1993 einer umfassenden Restaurierung unterzogen und der neuen Nutzung als Hotel und Restaurant zugeführt.

Die historische Schlosskapelle wurde 1310 erstmals urkundlich erwähnt und besaß seit dem 15. Jahrhundert die Rechte einer Pfarrkirche. Mit der Weihe der neu errichteten St. Martinus-Kirche im Alten Dorf Westerholt verlor sie dieses Privileg allerdings und gelangte 1907 durch Kauf an das benachbarte Burghaus Westerholt zurück. Sie ist heute die Kirche und Gruftkapelle für die gräfliche Familie. In der Kapelle werden auch heute noch Trauungen durchgeführt, darüber hinaus können Heiratswillige allerdings auch eine Trauung im Rittersaal des Schlosses durchführen lassen.

Kulinarisches im Alten Dorf Westerholt

Egal, ob Kaffee trinken im eleganten Ambiente des Schlosses Westerholt oder lieber Entspannung im urigen Biergarten im Alten Dorf in der historischen Umgebung der Fachwerkhäuser: Für eine Pause nach einem ausgedehnten Spaziergang bieten sich im Alten Dorf Westerholt und im Schloss viele Möglichkeiten. Der perfekte Ort um sich zu erholen und die Seele baumeln zu lassen.